Tbilisi am Ende des Sommers

Eine Marschrutka bringt uns nach zwei Tagen zurück nach Tbilisi. Natürlich telefoniert unser Fahrer während der Fahrt und neigt zu halsbrecherischen Überholmanövern, aber derartiges ist man ja von den Jungs gewohnt. Wenigstens hat dieser Benz 207D nur vorne Boxen und keine Kassetten an Bord, deshalb bleiben wir diesmal von russischer Popmusik in der Qualität von Wolfgang Petri verschont. Mein Tipp für Liebhaber anspruchsvoller Musik: Vor dem Urlaub einen MP3-Player kaufen und den Lärm im Ohr übertönen. Das macht das Leben einfacher.

Für die Benutzung einer Marschrutka durch einen West- oder Nordeuropäer sollte man sich immer vor Augen halten, daß der durchschnittliche Georgier kleiner ist und kürzere Beine hat. Es ist teilweise kaum möglich, die Beine hinter der Rückenlehne der Sitze zu verstauen. In den meisten Marschrutkas gibt es allerdings den Luxusplatz - auf der hinteren Sitzbank vor der Hecktür, am Ende des Durchgangs. Hier können Sie in der Regel die Beine ohne Probleme ausstrecken. Sonst lieber einen vollen Bus stehen lassen und den nächsten nehmen. Und Vorsicht beim Aussteigen, der Abdruck eines Haltegriffs über der Tür blieb noch bis zum Abend auf meiner Stirn.

Tbilissi riecht nach frischem Asphalt

Die Fahrt, wie auch die Preise der Restaurants und der Taxis, haben in Batumi ein höheres Niveau als in Tbilisi. Für eine Rundreise von 10 Minuten in der Innenstadt von Tbilisi zahlen wir 2 Lari, 2 km in Batumi brachten gleich 4 Lari in die Tasche des Taxifahrers. Wer die Preise in Deutschland gewohnt ist, sollte sich den Luxus gönnen und kutschieren lassen.

Im September 2005 kreisen eine Menge Baukräne über der georgischen Hauptstadt, und in Teilen der Innenstadt riecht es nach Asphalt. Es wird gebaut, und zwar kräftig. Die maroden Straßen aus der Zeit der Sowjetunion werden am Rustaweli-Prospekt komplett saniert, der Autoverkehr wird umgeleitet und alle paar Wochen wird ein Abschnitt fertig. Man bekommt also auch in der Zeit eines Urlaubs mehrere Strecken zu sehen, auf denen es sich staut. Seit August dürfen Marschrutkas nicht mehr über den Rustaweli-Prospekt fahren, was zu wütenden Protesten der Fahrer geführt hatte. Dafür nehmen nun recht neue und auffallend gelbe Busse die Fahrgäste auf. Das hatte Ende August für ein Chaos gesorgt, scheint aber nun in allen Köpfen verankert zu sein. Der Prospekt selber ist nicht mehr direkt per Marschrutka erreichbar. Der Autoverkehr auf dem Rustaweli-Prospekt fließt dafür um so reibungsloser.

Schlendern und Shoppen auf dem Rustaweli-Prospekt

Als wir im Sommer 2004 vor dem Parlament flanierten, drängte uns eine Riesenbaustelle auf die Straße. Inzwischen sind die Bauzäune mit georgischer Beflaggung auf die gegenüberliegende Straßenseite gewechselt. Vor den Säulen des Parlamentes erinnert nun ein kubisches Monument an die Opfer des Einsatzes von Giftgas am 9. April 1989, als die Rote Armee eine Demonstration an diesem Ort auflöste. Zudem schlugen die Soldaten mit Spaten auf die Menschen ein. 19 Menschen, die meisten von ihnen Frauen, wurden dabei getötet. Mehrere Hundert leiden zum Teil heute noch an den Folgen des Gaseinsatzes.

Der Rustaweli-Prospekt ist auch ein guter Ort, um sich mit Andenken zu versorgen. So hat man an seinem Beginn von der Seite des Platz der Republik her die Möglichkeit, Bilder und Kleidungsstücke zu erwerben. Die Bilder treffen nicht unbedingt den Geschmack von Bildungsbürgern, aber es gibt kaum eine andere Möglichkeit, so preiswert zu einer gemalten Ansicht von Ausschnitten der Stadt zu kommen. Auch Mützen sind recht günstig. Weinhörner und Dolche ebenso.

Mehrere Geschäfte im weiteren Verlauf des Rustaweli-Prospekts bieten zusätzlich die Möglichkeit, sich Souvenirs zu beschaffen. Wer noch die alte Flagge zu Hause stehen hat, kann sich in den Geschäften einen neuen Wimpel mit fünf Kreuzen oder eine Anstecknadel kaufen. Auch Trinkhörner gibt es in allen relevanten Größen.

Beim Kauf sollten Sie allerdings immer die Rückreise im Hinterkopf behalten. So kann ein Dolch im Handgepäck bei der Rückreise im Flugzeug zu bösen Diskussionen beim Sicherheitspersonal führen. Als wir 2004 zurückflogen, nahm man uns zusätzlich die Plastikflaschen mit Wein aus familieneigener Herstellung aus dem Rucksack. Der Export hausgemachter Waren ist untersagt! Kaufen Sie also besser Wein oder Tschatscha, den können Sie dann in Deutschland genießen. Käse am Stück oder in verarbeiteter Form als Chatschapuri stellt allerdings kein Problem dar. Ihre Kühltruhe darf sich freuen.

Aber noch sind wir in der Innenstadt. Wie schon zu Anfang erwähnt, ich bin zum vierten Mal hier. Wenn man aus der Metro Rustaweli-Prospekt aussteigt und den Blick vom McDonalds abwendet, sieht man im Herbst 2005 eine große Baustelle. Aus diesem Bereich der Innenstadt wird gerade das sozialistische Erbe Georgiens getilgt. Das Hotel Iberia, früher Intourist, war über ein Jahrzehnt hinweg ein Zeichen für die ungelösten Konflikte Georgiens. Hier lebten Hunderte von Flüchtlingen aus Abchasien, hatten zum Teil die Balkons verkleidet, um Wohnraum zu schaffen. Im September 2005 ist das Hotel mit einem grünen Schleier zum Schutz der Passanten vor Trümmern überzogen, denn der Bau soll einer neuen Hotelanlage weichen. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs stand nur noch das Skelett aus Beton und Stahl.

Spuren der Sowjetunion verschwinden

Auf der anderen Seite des Platzes der Republik stand die Tribüne aus der Zeit der Sowjetunion, in den 70er Jahren errichtet, damit zum 1. Mai alle wichtigen Leute vor den Spitzen der Partei vorbei defilieren konnten. Im Volksmund hießen die Bögen Andropows Ohren bzw. später Schewardnadses Kardiogramm. An dem Beton knabbern derzeit deutsche Bohrer, hier soll ein Geschäftszentrum entstehen.

Nicht mit all dem einverstanden sind einige Demonstranten, die uns hier entgegenkommen. Da ich als Nicht-Georgier aus der Menge rage, rufen sie mir ein "down with Soros!" entgegen. Sie sind also nicht mit dem Engagement mit George Soros einverstanden, der mit seiner Open Society Stiftung Projekte zum Aufbau von Demokratie und Zivilgesellschaft in Staaten der ehemaligen Sowjetunion fördert. Ob sie für George Bush sind? Immerhin hatte Soros mehrere Millionen Dollar in den Wahlkampf gegen Bush gesteckt, was nicht den gewünschten Erfolg brachte.

Welchen Wandel Georgien und vor allem Tbilisi in den letzten knapp zwei Jahren seit der Rosenrevolution in Richtung Westorientierung genommen hat, ist nicht nur in der Innenstadt sichtbar. Wenn man von Dighomi aus über die, auch jetzt noch mit Schlaglöchern versehene, Brücke nach Gldani herüberfährt, sieht man den Neubau der US-Botschaft in Georgien. Ein ziemlich großer Bau, aber schließlich war es auch die Absicht der Bush-Administration, Tbilisi zum Zentrum der Geheimdienste in der Region des Kaukasus zu machen. Für den Bau wurden extra Arbeiter aus den USA eingeflogen, denn zur Zeit des Kalten Krieges hatten Arbeiter aus anderen Staaten Botschaften der USA schon im Rohbau verwanzt. Nun können sich Arbeiter und Georgier, die das Geld dazu haben, im an die Botschaft grenzenden Supermarkt Goodwill mit Waren aus den USA versorgen.

Und wenn man weiter nach Gldani fährt, landet man wieder in einer Riesenbaustelle. Auch diese Buckelpiste wird es ein paar Monaten nicht mehr geben.

George Bush war im Mai zu Besuch in Georgien. An einigen Stellen merkt man das. In bester russischer und sozialistischer Tradition hatte die Regierung Saakaschwili mehrere an seiner Fahrtroute liegende Gebäude anstreichen lassen. Was hinter der Fassade bröckelt, sieht man ja nicht. Aber als wir uns auf die Rückreise zu unserem Flieger machen, spürt man deutlich, daß die Autobahn Richtung Flughafen glatt geworden ist. Also hat der Besuch Bushs doch einen Vorteil gebracht.

Und das Chatschapuri kann sich in aller Ruhe auf den Weg nach Köln machen.

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